Mittwoch, 22. Juni 2016

Projekt "7 Marathons on 7 Continents" UND ein Ultra...


Am Anfang waren die Träume. Schon als Kind habe ich gerne geträumt. Am liebsten von fernen Ländern, von anderen Kulturen, von Abenteuern. Die Welt wollte ich schon immer zu einer Bühne machen. Aus der Bühne wurden Laufstrecken. Und diese sollten, wie denn sonst, auf allen 7 Kontinenten führen. Ich hole tief Luft und denke an mein Projekt 7M7C.

Running 7 Marathons on 7 Continents

Begonnen hat alles - wie könnte es anders sein - beim Ursprung aller Marathons, dem Authentic Marathon auf der Originalstrecke von Marathon nach Athen. Gänsehaut-Gefühl pur dort zu laufen, wo alles angefangen hat. Dann kam der Kilimanjaro Marathon in Tansania - dort ist eine wunderbare Freundschaft entstanden. Ich bin mit Godifrey, einem Tansanier den ich dort kennengelernt habe, 40 Kilometer Seite an Seite gelaufen. Durch wunderschöne Kaffeeplantagen, immer mit dem Kilimanjaro im Blick. Oder der Marathon in Buenos Aires. Pure südamerikanische Lebensfreude. Das war der 3. Kontinent, unmittelbar vor Atlanta. 
Vor einigen Tagen bin ich den Georgia Marathon in Atlanta (USA) gelaufen und
spüre nun, nachdem die Emotionen weg sind, eine innere Zufriedenheit, die sich in meinen ganzen Körper ausbreitet. Es war hart, viele Höhenmeter, die Zeitumstellung, der lange Flug. Und es war schön. Die neu gewonnenen Eindrücke, die Begeisterung der Amerikaner für diesen wunderbaren Sport, und ja, die Tatsache, dass nun der 4. Kontinent geschafft ist. 


Zufällig bin ich auf das Buch „100 Km für ein Bier“ von Joe Kelbel gestoßen. Der Titel klingt etwas merkwürdig, ich entscheide mich trotzdem es zu lesen. Der Mann gefällt mir. Nicht unbedingt als Sportler, er ist etwas unkonventionell, aber als Mensch. Er hat eine positive Ausstrahlung und macht sein Ding mit sehr viel Lebensfreude. Er möchte Erfahrungen sammeln, am besten weltweit, am besten dort, wo sich keine Touristen verirren. Ich lese das Buch zu Ende und habe ein "Problem". Das "Problem" heißt Ultramarathon und will mir nicht mehr aus dem Kopf gehen.


Projekt "Ultra" - bei Mozart100

Ich suche nach einer Lösung für mein „Problem“ und werde schnell fündig. Ja, das ist es. Mozart100 klingt ausgezeichnet, ich kontaktiere sofort die Organisatoren und bin überzeugt davon, dass dies das richtige für mich ist. Mozart100 wird mein erster Ultra werden. Ich pflege einen sehr netten Kontakt zu Claudia Kolussi – von den Organisatoren- sie ist irgendwie prädestiniert, verrückte Läufer noch verrückter zu machen. Ich meine, diese für die Veranstaltung zu begeistern. Denn die Veranstaltung an sich ist verrückt. 

Die härteste Probe heißt Scenic100 und misst etwa 103 Km. Die eigentliche Herausforderung sind hier aber die Höhenmeter - fast 3.000 m sind zu überwinden. Ich entscheide mich für diese Probe. Als Training kommt noch ein Marathon in Rahmen meines 7M7C Projekts dazwischen. 3 Wochen vor dem Ultra laufe ich auf dem 5. Kontinent, Asien, den Sundown Marathon in Singapur. Hitze, hohe Luftfeuchtigkeit, das Rennen findet mitten in der Nacht statt und ist eine echte Herausforderung. Genau, wonach verrückte Läufer wie ich suchen.

Tag X

Ich fühle mich stark. Und vorbereitet für die bevorstehende Aufgabe namens Ultramarathon. Ich habe nun die Hitze in Singapur gegen die Frische in Fuschl am See getauscht. Es fühlt sich alles gut an. 

Ich stehe um 3 Uhr in der Nacht auf und wenig später bin ich bereits unterwegs nach Salzburg. Kopfkino pur. Ich versuche mich auf das Rennen zu konzentrieren, da es aber meine erste Erfahrung dieser Ausmaß sein wird gelingt es mir nicht das Rennen gedanklich durchzuspielen. Ich werde es einfach auf mich zukommen lassen.
Auf Anhieb mag ich die Menschen, die an der Startlinie stehen und nur darauf brennen endlich loszulaufen. Es sind nicht viele, um die 200, aber ich empfinde eine Verbundenheit mit ihnen. Wir sind alle verwandt. Es ist meine Welt. Es geht los. Es ist frisch, es ist ruhig. Man hört nur die Schritte von den Läufern. Und es klingt wie Musik in meinen Ohren.
Bald sind wir im Wald und es geht abrupt aufwärts. Viel Matsch, der das Läuferleben nicht einfacher macht. Aber abenteuerreicher. Die erste Labestation ist schnell erreicht. Es gibt eine exemplarische Verpflegung, alles was das Läuferherz begehrt ist vorhanden. Man gibt den Läufer die Möglichkeit sich auf das Rennen zu konzentrieren. Wenn das aber nur so einfach wäre.

Ich fühle mich gerade ausgezeichnet, körperlich und mental, die Umgebung ist einfach fantastisch. Ein Traum... - aus dem ich unerwartet und auf brutalste Weise gerissen werde. Ich liege am Boden, meine linke Hand ist blutverschmiert und ich kann in eine tiefe Wunde blicken. Ein Schock. Ich stehe auf, ein Läufer vor mir hat das Ganze mitbekommen, eilt zu mir und erkennt sofort die Ernst der Lage. Ich bin ihm mehr als dankbar für seine Erstversorgung. Nun liegt es an mir wie es weitergeht. Ich entscheide mich weiter zu laufen in der Hoffnung, die Verletzung lässt sich provisorisch auf der Strecke behandeln. Die Strecke, die Landschaft  werden immer schöner, frischer. Wasserfälle wechseln sich mit weidenden Kühe ab. Zwischendurch viel Matsch. Und Schmerzen. Die versuche ich zu ignorieren, den positiven Eindrücken sollte Vorfahrt gewährt werden. Ich laufe unter furchtbaren Schmerzen und mir wird langsam bewusster, dass es schwierig wird. Nein, nicht schwierig. Unmöglich.
Die Strecke beeindruckt mich weiterhin, sie ist anspruchsvoll und verlangt einem alles ab. Ich denke an diejenigen, die diese Strecke ausgesucht haben. Die müssen ja ihren Spaß dabei gehabt haben.
Mein Spaß hört allerdings bei der dritten Labestation auf. Es sind mehr als 2 Stunden seit dem Unfall vergangen, es sieht nicht gut aus mit meiner Hand. Und es liegen noch 70 Km vor mir. Ich spreche mich mit den Organisatoren ab und entscheide, meine Startnummer abzugeben. Heulend. Die körperliche Schmerzen sind in dem Moment vergessen. Es ist nur die Seele, die weh tut.

Einige Stunden später, in der Unfallklinik Salzburg wechseln sich die Rollen wieder ab. Die Wunde wird genäht. Fürchterliche Schmerzen. Diesmal körperlicher Natur.
Abends im Hotel fühle ich mich leer. Das war ein harter Rückschlag. Aber ich habe meine Familie bei mir. Meine geliebte Frau Andreea und unsere Sonne, der David – süße 2,5 Jahre jung. Beide zusammen schaffen es, mich wieder auf Kurs zu bringen. Der Kurs steht bereits jetzt fest. Es geht weiter. Nächstes Jahr werde ich wieder um 3 Uhr aufstehen. Und die Landschaft und die Härte des Rennens genießen.


Mozart100 ist eine Hymne, die mir nicht aus den Ohren gehen wird. Aber aus dem Traum werde ich mich nicht mehr reißen lassen. Der Traum wird gelebt. In Salzburg. Und überall auf der Welt. Denn 2 weitere Kontinente warten noch auf mich. Australien und die Antarktis. Der rote und der weiße Kontinent. Schöne Farben. Ach ja, das ist doch Österreichs Flagge. Immer wieder "dieses" Österreich. Ja, ich mag es.
Euer Paul

2 Kommentare:

  1. Lieber Paul,
    Dein Bericht hat mich richtig berührt. Vielen Dank dafür.
    Wir sind SEHR froh, dass Du am 17. Juni 2017 wieder am Start des Scenic 100 stehen wirst.
    Herzliche Grüße
    Claudia

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  2. Darauf freue ich mich schon jetzt!
    Liebe Grüße,
    Paul

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